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Süddeutsche Zeitung von THOMAS KIRCHNER, MARKUS BALSER

Brüssel/Berlin - Die EU drückt sich weiterhin um eine Entscheidung zum umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Die Mitgliedstaaten konnten sich am Mittwoch im zuständigen Ausschuss in Brüssel abermals nicht auf eine klare Position für oder gegen die Erneuerung der Zulassung verständigen. Die EU-Kommission verzichtete deshalb auf ein Votum. „Wir haben die Positionen der Delegationen zur Kenntnis genommen, werden darüber nachdenken und bald einen neuen Termin vorschlagen“, sagte eine Sprecherin. Die bisherige Zulassung läuft am 15. Dezember ab, weshalb mit einer neuen Runde im November gerechnet wird.
Laut EU-Diplomaten stimmten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (Paff) 16 Länder für eine Verlängerung der Lizenz. Österreich, Belgien, Kroatien, Griechenland, Frankreich, Malta, Schweden, Slowenien Luxemburg und Italien waren dagegen. Weil sich Deutschland und Portugal der Stimme enthielten, wurde das für eine qualifizierte Mehrheit nötige Bevölkerungsquantum nicht erreicht. In der Bundesregierung ist Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gegen eine Verlängerung, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) dafür. Daher legt sie sich nicht fest.
Das von dem US-Konzern Monsanto entwickelte Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Es spielt eine wesentliche Rolle in der Landwirtschaft. Die Frage ist, ob es bei Menschen Krebs auslöst. Laut einem Bericht der zur Weltgesundheitsorganisation gehörenden Internationalen Agentur für Krebsforschung ist das „wahrscheinlich“ der Fall. Die zuständigen wissenschaftlichen Stellen in der EU - die Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Chemikalienagentur - teilen diese Sorge aber nicht. Unbestritten ist, dass der Wirkstoff die Artenvielfalt beeinträchtigt.
Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine Verlängerung um weitere zehn Jahre vorgeschlagen. Dies scheiterte schon 2016 an der Berliner Enthaltung. Danach entschied sich die Kommission für eine provisorische Verlängerung um eineinhalb Jahre. Nachdem das Europaparlament am Dienstag in einer Resolution ein endgültiges Aus für das Herbizid bis spätestens Dezember 2022 verlangt hatte, ging die Kommission einen Schritt auf die Kritiker zu und verkündete, sie wolle nur noch eine Verlängerung von fünf bis sieben Jahren erreichen. Im Ausschuss stellte sie laut Diplomaten noch einmal die Zehn-Jahres-Version zur Probeabstimmung, anschließend die kürzere Lauffrist.
In der EU wird erwartet, dass die Kommission im November eine noch weiter verkürzte Erneuerung vorschlägt. Damit würde sie vielleicht ein Ja aus Frankreich erhalten - und damit auch die nötige Mehrheit der EU-Staaten.
Bliebe es beim Patt, könnte theoretisch die Kommission selbst über die Verlängerung entscheiden. Die Behörde will bei dem Thema aber nicht den Schwarzen Peter haben und ermahnt die Mitgliedstaaten, sich nicht hinter ihr zu verstecken. Sie hat vorgeschlagen, dass in solchen Streitfällen künftig die Mitgliedstaaten selbst die Verantwortung übernehmen.
Umweltschützer begrüßten die Entwicklung. Jetzt müsse der Einstieg in den Ausstieg beginnen, sagte der Europaabgeordnete Martin Häusling (Grüne). Die Kommission solle sich am Parlament orientieren. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, warnte hingegen davor, den Einsatz von Glyphosat einzuschränken. „Die Landwirte werden die Leidtragenden sein“, sagte er. Konkurrenten aus anderen Teilen der Welt würden das Mittel weiterhin verwenden, deutsche Bauern hätten dann einen „Wettbewerbsnachteil“. Rukwied kritisierte eine „emotionale Kampagne, die wissenschaftlich nicht unterlegt ist“.
In Berlin zeichnet sich ab, dass auch einen neue Bundesregierung der Verlängerung nicht zustimmen könnte. „Es darf keine Wiedergenehmigung von Glyphosat geben“, sagte die Grünen-Politikerin Renate Künast. „Die Kommission muss endlich einen neuen Weg einschlagen. Und der darf nicht fünf bis sieben Jahre dauern.“
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Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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