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Süddeutsche Zeitung - Gewisse Insektizide schaden Bienen. Die EU-Kommission plant nun, den Einsatz dieser Mittel streng zu regulieren.
Außerhalb von Gewächshäusern soll ihr Einsatz vollständig verboten werden. Die EU-Staaten müssen den Plänen noch zustimmen.

 Von Thomas Kirchner, Brüssel, und Silvia Liebrich 

Die Europäische Kommission plant auf Äckern ein Totalverbot von umstrittenen Pflanzenschutzmitteln, die den Bienen schaden. Dabei geht es um die Gruppe der sogenannten Neonicotinoide, die weltweit zu den am meisten eingesetzten Insektiziden gehören. Sie sind schon länger umstritten, ihr Einsatz ist bereits reguliert.

Die EU-Pläne meldete zuerst der britische Guardian. Die EU-Kommission bestätigte den Bericht. Es handle sich bisher zwar nur um ein Arbeitspapier, sagte ein Sprecher, das der internen Meinungsbildung diene. "Aber das ist die Richtung, in die wir gehen wollen." Von den Mitteln gehe ein "hohes akutes Risiko für Bienen" aus, hieß es in dem Papier.

Allerdings sehen die Pläne vor, den Einsatz innerhalb von Gewächshäusern weiterhin zu erlauben. Das Totalverbot bezieht sich also auf den Außenbereich. Schon seit 2013 dürfen die genannten Stoffe laut dem EU-Sprecher nur noch in Ausnahme- oder Notfällen eingesetzt werden, etwa bei extremen Wetterlagen oder wenn bestimmte Pflanzenarten massiv unter Schädlingsbefall leiden.

Ein formeller Vorschlag werde dem zuständigen EU-Gremium, dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, erst Mitte Mai vorgelegt, so die Kommission. Stimmen die europäischen Mitgliedsländer dem Vorschlag zu, könnten die für Bienen schädlichen Insektenvernichtungsmittel noch in diesem Jahr verboten werden.

"Es ist ein Meilenstein für den Bienenschutz, wenn die EU-Kommission tatsächlich ein vollständiges Verbot der Neonikotinoide vorschlägt", sagte Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament. Angesichts des anhaltenden Insektensterbens müsse die Kommission die Notbremse ziehen.

Für die Hersteller wäre ein solcher Beschluss ein herber Rückschlag. Zu ihnen gehören Bayer sowie das Schweizer Unternehmen Syngenta. "Wir lehnen den aktuellen Vorschlag der Europäischen Kommission entschieden ab", sagte ein Bayer-Sprecher. Für zusätzliche Einschränkungen bestehe weder eine wissenschaftliche noch eine rechtliche Grundlage. Die Hersteller klagen derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das bestehende Teilverbot. Ihrer Ansicht nach gibt es keine hinreichenden Beweise, die ein Verbot begründen würden.

Die europäische Aufsichtsbehörde Efsa sieht das anders. Sie sieht genug Belege dafür, dass die Mittel schädlich für Bienen sind. Seit 2013 habe die Behörde, die für die Sicherheit von Pestiziden und Lebensmitteln zuständig ist, die Stoffe noch einmal gründlich geprüft. Dabei seien neue, von der Industrie vorgelegte Daten geprüft worden, sagte ein Efsa-Sprecher. Dabei hätten sich eine ganze Reihe von Risiken gezeigt, insbesondere bei zwei von drei Pestiziden. Diese Risiken seien auch bei sachgerechter Anwendung nicht auszuschließen. Für die Mittel könnte dieses harte Urteil das Aus bedeuten. Derzeit arbeitet die Efsa nach eigenen Angaben an einer neuen Gesamtbewertung für Neonicotinoide, die im November diesen Jahres fertig werden soll.

Bauern wollen Neonicotinoide einsetzen

Landwirte drängen auf eine erneute Freigabe der Stoffe, die als Beizmittel für Saatgut eingesetzt werden, aber auch als Spritzmitteln während der Wachstumsphase von Pflanzen. "Mit deren Wegfall wurde den Landwirten das effektivste und umweltverträglichste Instrument der Schädlingsbekämpfung genommen", heißt es beim Deutschen Bauernverband. Zuletzt sei die Erntemenge deshalb um vier Prozent zurückgegangen.

Neonicotinoide werden seit Ende der Neunzigerjahre immer häufiger auf den Feldern eingesetzt. Seitdem klagen Bienenhalter über Probleme. Umweltschützer und Imkerverbände fordern schon länger ein Verbot der Mittel. Sie verweisen auch darauf, dass Bienen entscheidend zur Wertschöpfung in der Landwirtschaft beitragen. 80 Prozent aller Pflanzen brauchen sie als Bestäuber, 40 Prozent der Nahrungsmittelerzeugung hängen von ihnen ab

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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