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Frankfurter Rundschau - Mexikos Kleinbauern sind nicht begeistert. Einen ruinösen Preiskampf sehen sie - und ein "falsches Modell". "Es wird zu einem ökonomischen und ökologischen Dumping-Wettlauf führen", sagt Víctor Suárez, geschäftsführender Direktor des mexikanischen Kleinbauernverbands Anec. Letztlich seien zahllose Arbeitsplätze bedroht - mit weitreichenden Folgen. Der Grund für die Aufregung? Die EU-Kommission will über Handelsabkommen und Marketing-Kampagnen zusätzliche Absatzmärkte für Europas Agrarbranche in Schwellenländern erschließen. Im Fokus steht dabei unter anderem Lateinamerika mit Ländern wie Mexiko und Kolumbien, aber auch Südostasien.

Europas Bauern haben seit geraumer Zeit mit Überangeboten und Niedrigpreisen zu kämpfen. Bei Milch- und Schweinefleischprodukten sind die Preise besonders tief. Brüssel versucht, auch mit Finanzhilfen gegenzusteuern. Seit dem russischen Importstopp für EU-Agrarprodukte in Folge der Ukrainekrise 2014 fehlt den Bauern ein weiterer wichtiger Absatzmarkt.
Die Kommission setzt große Hoffnungen in den weltweiten Agrarexport. "150 Millionen Menschen werden pro Jahr bis 2050 zur Mittelklasse hinzukommen - vor allem in Asien, Afrika und Südamerika", so EU-Agrarkommissar Phil Hogan. "Dadurch wird die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Landwirtschaftsprodukten erheblich steigen." Die EU könne daraus Vorteile ziehen. Zuletzt haben Europas Ausfuhren deutlich zugelegt. Im September erreichten die EU-Agrarexporte mit 11,5 Milliarden Euro einen neuen Höchststand. Insgesamt beliefen sie sich 2015 auf rund 130 Milliarden Euro, die Importe auf nur 112 Milliarden. Bislang gehen die meisten Ausfuhren in die USA, nach China und in die Schweiz.

Einer, der die neue Konzentration auf Schwellenländer besonders kritisch sieht, ist der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. "Die Ausrichtung auf den Export ist ein Riesenfehler", meint er. "Es bedeutet, dass Europa in einen Dumping-Preiskampf einsteigen muss." Dabei werde hierzulande eher hochpreisig produziert. "Neuseeland und die USA können zum Beispiel zu ganz anderen Bedingungen billiger produzieren."

Als Folge gebe es einen Trend zur Massentierhaltung, weil es nur so günstiger werden könne. Solche Haltungsformen brächten negative Effekte für Tiere und Umwelt mit sich. "Wer profitiert von den mit mehr als 41 Milliarden Euro Steuergeldern verbilligten Agrarprodukten, die weltweit über Ozeane verschifft werden?", fragt Häusling. "Die Erzeuger nicht. Die Verbraucher nicht. Die Umwelt nicht. Die Tiere nicht. Es profitieren globale Großunternehmen und der Handel."

Auch in den Zielländern stoßen die zunehmenden Ausfuhren auf Kritik. In Kolumbien gab es heftige Proteste gegen Freihandelabkommen unter anderem mit der EU. Im Juni demonstrierten über 30 000 Menschen. Sie warfen der Regierung vor, negative Folgen des Freihandels nicht, wie versprochen, durch Preiskontrollen und Kreditvergaben abzufedern. Die Bauern haben Angst, im Preiskampf gegen die billigen Importe vor allem von Milch nicht mithalten zu können. Laut dem Viehzüchterverband leben rund 400 000 Familien von der Milchwirtschaft. Auch in Mexiko sind viele Menschen betroffen. Dort arbeiten insgesamt 5,5 Millionen Menschen in der Landwirtschaft.

"Der Sektor gibt Menschen Arbeit und Einkommen. Er hat auch eine soziale Funktion, weil er Migration und Gewalt verhindert", so Kleinbauern-Direktor Suárez. Da sie in ihren Heimatorten oft keine Perspektive sehen, sind viele in die USA ausgewandert. Mexikos Kleinbauern haben bereits mit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta schlechte Erfahrungen gemacht. Davor importierte Mexiko etwa 20 Prozent seiner Lebensmittel, heute 45 Prozent. In der Landwirtschaft gingen zwei Millionen Arbeitsplätze verloren. "Kleinbauern können mit den subventionierten Importen preislich nicht konkurrieren. Andererseits können sie ihre Produkte nicht exportieren, weil sie nicht den Vorschriften in den USA oder Europa entsprechen", sagt Suárez. A. Sartoros und D. Düttmann, dpa