Grüne Europagruppe Grüne EFA

24 November 2016,Atmen - Die EU will weniger Luftverschmutzung – die Umwelthilfe zeigt, wie sehr Diesel-Pkw weiter die Luft verpesten. 467.000 Menschen sterben pro Jahr vorzeitig an Smog - von Luca Spinelli

Über ein Jahr nach Beginn des Abgasskandals und ein halbes Jahr nach dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ des Bundesverkehrsministeriums liegen die realen Stickoxid-Emissionen nach wie vor deutlich über den Grenzwerten – und sind sogar gestiegen. Am Mittwoch veröffentlichte die Deutsche Umwelthilfe in Berlin ihre neuesten Messungen.
Negativer Spitzenwert: ein Fiat 500x stieß 17 mal so viel NOx aus wie gesetzlich erlaubt. Der schmutzigste deutsche Diesel war dem Umweltverband zufolge ein im August zugelassener Mercedes B 180 d. Er emittierte im Durchschnitt der zehn Testläufe 1.039 Milligramm NOx auf einen Kilometer – 13 Mal so viel wie die erlaubten 80 Milligramm. Von den 45 Diesel- und Benzinfahrzeugen, die die Umwelthilfe in diesem Jahr getestet hat, hielten nur sechs die Grenzwerte ein.
Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die zurückhaltenden Forderungen des Bundesverkehrsministeriums an die Autohersteller größtenteils wirkungslos blieben. Die Untersuchungskommission des Ministeriums hatte die Hersteller im April 2016 dazu aufgerufen, „Verbesserungen für die laufende Produktion und teilweise auch für in Betrieb befindliche Fahrzeuge vorzunehmen“. Die Tatsache, dass ein vier Monate nach dieser Aussage zugelassenes Mercedes-Modell die Grenzwerte so deutlich überschreitet, zeigt, wie ernst die Autoindustrie die Forderungen des Ministeriums nimmt.
Zum anderen zeigen die Messungen, dass die Stickoxidüberschreitungen nicht nur nicht sinken – sie liegen sogar noch höher als bisher angenommen. Als Ursache für die höheren Abweichungen nennt die Umwelthilfe die niedrigeren Außentemperaturen der Novembermessungen. „Bei den Laborprüfungen für die offiziellen Emissionswerte herrscht Raumtemperatur“, erklärt Geschäftsführer Jürgen Resch. „Sobald die Außentemperaturen bei unseren Messungen jedoch davon abwichen, explodierten die gemessene Stickoxid-Emission.“ Grund dafür sei eine Software, die die Abgasreinigung bei niedriger Außentemperatur abstelle.
Daimler erklärte auf Anfrage, die Fahrzeuge seien „nach den einschlägigen Vorschriften zertifiziert und zugelassen.“ Zuvor hatte das Unternehmen die Abschaltung der Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen mit dem Schutz des Motors begründet und auf eine Ausnahme in der EU-Verordnung verwiesen. Nach Ansicht des Abgasexperten Axel Friedrich gibt es allerdings keine technologische Begründung dafür.
Brisant werden diese Messungen im Kontext einer am Mittwochmorgen veröffentlichten Studie der Europäischen Umweltagentur. Demnach sterben in der EU jedes Jahr 467.000 Menschen aufgrund von Luftverschmutzung vorzeitig. Bis zu 31 Prozent der EU-Städter seien von einer zu hohen NOx-Belastung betroffen.
Dagegen will die EU nun mit strengeren Grenzwerten vorgehen. Am Mittwoch verabschiedete das EU-Parlament eine Richtlinie zur Luftreinhaltung, durch die der Ausstoß von Stickoxid durch Diesel bis 2030 um 63 Prozent sinken soll. Auch für andere Luftschadstoffe gelten strengere Grenzwerte. Allerdings bleibt die Richtlinie hinter den ursprünglichen Vorschlägen der Kommission zurück.
Die Grünen stimmten darum dagegen. Der umweltpolitische Sprecher Martin Häusling beklagte zudem das Fehlen verbindlicher Zwischenziele und forderte, dass die Vorgaben auch Konsequenzen haben: „Alle Dieselautos mit schlechter Abgasreinigung müssen aus den Innenstädten verbannt werden.“
Bis zu 31 Prozent der EU-Städter sind von zu hoher Stickoxid-Belastung betroffen