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Greenpeace Magazin - Gab es Absprachen zu Glyphosat zwischen der EU und der Chemie-Industrie? Die Grünen vermuten es. Und Foodwatch warnt, dass das Vorsorgeprinzip durch TTIP und CETA unterbunden und ein Glyphosat-Verbot dadurch unwahrscheinlich wird.

Der Wirbel um Glyphosat reißt nicht ab. Während die Entscheidung über eine Wiederzulassung in der EU immer wieder verschoben wird, vermuten jetzt die Grünen, dass es Absprachen zwischen der Europäischen Kommission und der Agro-Chemie-Industrie gab.

„Dass es Absprachen gegeben haben muss, wurde bereits im April augenfällig“, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. Als EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis die Glyphosat Task Force aufforderte, die geheimen Glyphosat-Studien öffentlich zu machen, habe die Industrie verdächtig schnell reagiert. „Plötzlich sollten die Studien in Leseräumen zugänglich gemacht werden“, sagt Häusling. Normalerweise würden die Kommission und auch die Agro-Chemie-Industrie eher verdeckt und mit Verschleierungstaktiken handeln.

Auf der Straße gegen Glyphosat: Protest gegen die EU-Zulassung in Paris. Foto: picture alliance / AP Photo

Häusling fragte bei der Europäischen Kommission nach, ob es Absprachen gegeben habe. Am vergangenen Freitag dementierte Andriukaitis diesen Verdacht. Doch Häusling mag den öffentlichen Erklärungen des EU-Gesundheitskommissars nicht glauben: „Denn dem Umweltinstitut München und der Nichtregierungsorganisation Global 2000 liegen Dokumente vor, die derartige Absprachen sehr wohl belegen.“

Ob Andriukaitis selbst an Absprachen beteiligt ist oder nur Mitarbeiter seiner Generaldirektion, bleibt offen. „Ganz eindeutig ist jedoch, wem sein Augenmerk gilt: den Interessen der Chemieindustrie und nicht, wie man es von einem Gesundheitskommissar erwartet, dem vorsorgenden Verbraucherschutz“, bemängelt Häusling.

Den vorsorgenden Verbraucherschutz, der angesichts der ungeklärten Gesundheitsrisiken bei einem Verbot von Glyphosat greifen würde, sieht auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch in Gefahr. Die umstrittenen Handelsabkommen TTIP und CETA drohen laut Foodwatch das in der EU geltende Vorsorgeprinzip auszuhebeln. Danach müssen Pestizide vor einer Zulassung auf ihre Unbedenklichkeit überprüft werden. Gibt es begründete Bedenken, muss der Stoff verboten werden.

Als Beleg für die Bedenken gegen die Freihandelsabkommen führt Foodwatch ein im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation erstelltes internationales Rechtsgutachten an. „Das europäische Vorsorgeprinzip ist in TTIP und CETA rechtlich nicht ausreichend abgesichert“, erklärt Peter-Tobias Stoll, Direktor der Abteilung Internationales Wirtschaftsrecht und Umweltrecht an der Georg-August-Universität Göttingen. „Das Niveau des Gesundheits- und Verbraucherschutzes steht damit in Frage.“ Neben der Universität Göttingen wirkten auch Experten vom TMC Asser Instituut in Den Haag und der Université Saint-Louis in Brüssel bei der Erstellung des Gutachtens mit.

Politiker in Brüssel und Berlin sowie Wirtschaftsvertreter behaupten hingegen, das Vorsorgeprinzip sei durch TTIP und CETA nicht in Gefahr. Das Vorsorgeprinzip stehe bei den Verhandlungen nicht zur Disposition , bekräftigte Bundesjustizminister Heiko Maas gegenüber Foodwatch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben wiederholt versichert, in Deutschland und der EU geltende Standards würden nicht abgesenkt.

Die Verbraucherschützer befürchten dagegen, dass mit  TTIP und CETA der Einsatz weiterer chemischer Stoffe Menschen in der EU gefährden könnte. Bisphenol A beispielsweise, ein hormoneller Disruptor, der in der Kunststoffproduktion eingesetzt wird, steht im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Nach dem Vorsorgeprinzip hätten dieser und ähnliche Stoffe in der EU längst reguliert werden müssen – doch die Kommission zögerte ein Verfahren wegen der TTIP-Verhandlungen immer wieder heraus.

In den USA gilt – anders als in der EU – das Nachsorgeprinzip. Danach werden Stoffe erst vom Markt genommen, wenn ihre Schädlichkeit nachgewiesen ist. Chemikalien, die in USA oder Kanada zugelassen sind, könnten durch die Freihandelsabkommen auch auf den europäischen Markt gelangen.

Welche Entscheidung die EU zu Glyphosat treffen wird, wird sich am kommenden Freitag zeigen – ein Sonderausschuss soll dann endgültig beschließen, ob das Pestizid neu zugelassen wird oder nicht.

Leonie Fößel