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Tagesspiegel - Der Streit um Glyphosat steht für eine verfehlte Agrarpolitik. Das System des Immer-Mehr funktioniert nicht mehr - das zeigt auch die Milchpreiskrise. Ein Gastkommentar. Martin Häusling

Glyphosat ist inzwischen der Inbegriff einer verfehlten Landwirtschaftspolitik. Am 19. Mai entscheiden die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten darüber, wie lange die Bauern das Pflanzenschutzmittel noch einsetzen dürfen. Das Europäische Parlament fordert eine Begrenzung auf neun Jahre – allerdings mit starken Einschränkungen bei der Anwendung. Die Europäische Kommission ist nun von ihrem ursprünglichen Vorschlag abgerückt, das Gift noch weitere 15 Jahre zu erlauben und schlägt als Kompromiss inzwischen auch neun Jahre vor.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind gespalten. Deutschland hat signalisiert, dem aktuellen Kompromissvorschlag der Kommission zuzustimmen. Es steht den Regierungen frei, sich gegen die Verwendung des Gifts zu entscheiden. Das ist aber äußerst unwahrscheinlich. Die Bundesregierung jedenfalls, vertreten durch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, steht auf der Seite der großen Agrarkonzerne, die an der Verwendung des Giftes gut verdienen. Der Minister stellt sich gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher, die mehrheitlich dafür sind, Umwelt und Gesundheit zu schützen und Glyphosat zu verbieten.
Die schlimmste Agrarpreiskrise seit den 80ern

EU-Kommission und Bundesregierung verteidigen Glyphosat mit Klauen und Zähnen, denn es ist ein wichtiger Pfeiler der chemiebasierten  Landwirtschaft und wenn dieser fällt, fängt das ganze System der agrarindustriellen Landwirtschaft zu  bröckeln an. Und das ist nicht gewollt, auch wenn das System des Immer-Mehr nicht funktioniert. Wir befinden uns in der schlimmsten Agrarpreiskrise seit den 80er Jahren. Die Milchschwemme macht die Preise kaputt. Immer mehr Bauern geben auf, weil sie einfach nichts mehr verdienen. Ein Liter Milch ist für 40 Cent zu haben, wenn die Entwicklung so weitergeht, können die Preise auf bald 20 Cent abstürzen. Der Liter Milch kostet aber schon in der Produktion mindestens 40 Cent. Bei solchen Dumpingpreisen zahlen die Bauern drauf.

Die EU-Landwirtschaftsminister haben einen Kompromiss zur Milch-Mengenbegrenzung beschlossen, allerdings auf freiwilliger Basis. Das wird nicht funktionieren. Nun hat die Kanzlerin die Krise zur Chefsache gemacht. Ein ganzes Paket soll geschnürt werden. Am Ende wird es viele Millionen Steuergelder Kosten. Eine konsequente Mengenbegrenzung wäre billiger.
Die Krise wurden jahrelang kleingeredet

Und die Bauern müssten direkt davon profitieren, stehen sie doch bis zum Hals in der Milch.... Wir brauchen ein Anreiz-Programm, um weniger zu produzieren, stattdessen wird weiter Steuergeld in die Exportförderung und Lagerhaltung gesteckt.

EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan hat die Krise jahrelang kleingeredet. Statt die Milchproduktion zu begrenzen, betreibt er massive Agrar-Exportförderung und wirbt weltweit für die Milch, die mit ihren niedrigen Preisen schon in der EU den Markt kaputt macht und die bäuerlichen Betriebe in den Ruin treibt. Die Folge: Die EU exportiert nicht nur zu billige Milch, sondern zerstört Absatzmärkte von Bauern weltweit.

Wir müssen weg von einer exportorientierten Landwirtschaft und die staatlichen Subventionen umlenken. Die EU zahlt 50 Milliarden Euro pro Jahr an die europäischen Bauern. Jeden Hektar mit 300 Euro pauschal zu fördern, rettet weder Betriebe noch ländliche Räume. Zahlungen müssen an öffentliche Leistungen der Bauern gebunden werden. Die ökologische Landwirtschaft ist immer noch ein Stiefkind der Agrarpolitik, obwohl sie der konventionellen Variante im Ressourcenschutz und Qualität weit überlegen ist. Sie muss daher Leitbild der Agrarpolitik werden .
Es wird nicht teuer, denn jetzt zahlt der Verbraucher dreifach

Darum sollten Steuergelder nur noch an ökologisch nachhaltig und tiergerecht wirtschaftende Betriebe gezahlt werden. Die Priorität sollte auf der Produktion von Qualität und regionalen Handelsketten liegen. Immer mehr Menschen legen Wert auf Bioprodukte und sind bereit, dafür zu zahlen. Die Politik sollte genau diese Produktion stärker fördern und damit auch den Verbraucherwünschen gerecht werden.

EU-Kommission und Bundesregierung sollten sich dafür einsetzen, solche Betriebe zu fördern, die hohe soziale Standards und für Tiere und Umwelt erfüllen. Auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln, wie sie das Europäische Parlament jüngst gefordert hat, kann dabei helfen. Sie gibt den Verbrauchern die Entscheidungsfreiheit zurück. Sie können selbst auswählen, welche Milch und welches Fleisch sie kaufen wollen.

In der Europäischen Union gibt es noch immer 13 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Diese können durchaus die Verbraucherwünsche erfüllen, ohne unsere Ressourcen zu übernutzen. Das wird nicht teurer, denn momentan zahlt der Verbraucher dreifach: für  billige Agrar-Produkte, für die Subventionierung der Intensiv- Landwirtschaft und für die Reparatur der Umweltfolgen. Die Steuerzahler geben 50 Milliarden Euro pro Jahr für die Förderung konventioneller Landwirtschaft aus und die Wasserwerke in der Europäischen Union stecken fast dieselbe Summe in die Reinigung des Trinkwassers von giftigem Nitrat.

Diese Rechnung geht nicht auf, nicht für die Bauern, nicht für die Verbraucher und nicht für Tiere und Umwelt.

Martin Häusling (Bündnis 90/Die Grünen) ist Abgeordneter im Europäischen Parlament.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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