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EurActiv.de - Immer mehr Landwirte in Europa verlieren ihre Arbeit – beschleunigt teilweise auch durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP), wie eine vom EU-Parlament vorgestellte Studie zeigt. Experten fordern nun Reformen und das Ende von wahllos gestreuten Nothilfen.

Eine historische Krise rüttelt an den EU-Agrarmärkten – und damit an der Existenz der europäischen Bauern: Die Warnung, die die Präsidenten der Landwirtschaftsverbände und landwirtschaftlichen Genossenschaften aus ganz Europa vergangenen Freitag in Brüssel vortrugen, wiegt schwer. Gemeinsam appellierten sie bei ihrem Krisengespräch an die EU, unmittelbare Lösungen zur Überwindung zu finden.

Eine der grundlegenden Fragen hierbei ist: Wie kann vermieden werden, dass immer mehr Betriebe aufgeben müssen und die Landwirte ihre Arbeit verlieren, und welche Rolle spielt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) bei der Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum? Das EU-Parlament hat nun eine Studie vorgestellt, die dieser Frage nachgeht.

Das Ergebnis, das Forscher Bernd Schuh vom österreichischen Institut für Raumplanung und ländliche Entwicklung dazu präsentierte, lautet grob: Die GAP hat keine neuen Arbeitsplätze schaffen können, lediglich das Tempo des Niedergangs von Arbeitsplätzen wurde verlangsamt. Weil GAP sich hauptsächlich über Einkommen, Kapital und Investitionen auswirkt, gingen demnach viele Jobs nach Auslaufen der Finanzierungsperiode verloren.

Strukturwandel merzt kleinere Betriebe aus

Vor allem in kleinen und mittleren Betrieben, so das ernüchternde Ergebnis, ging die Beschäftigung von Familienangehörigen und externen Arbeitnehmern europaweit 2008 bis 2014 zurück. Ausnahmen bilden nur Bulgarien, Portugal, Litauen, Slowenien, Kroatien, Lettland, Polen, Griechenland und Rumänien. Der Trend geht hin zu weniger Betrieben bei wachsender Betriebsgrößen. Weil letztere produktiver sind und in der Regel auch weniger Arbeitsplätze benötigen, gehen insgesamt weiter Arbeitsplätze verloren.

Der Zukunftsausblick der Autoren lautet also: Die Beschäftigung in der Landwirtschaft wird wegen Liberalisierung, Strukturwandel und Verlagerung von Mitteln sicher zurückgehen.

GAP ist ein Nullsummenspiel

„Das Ganze ist ein Nullsummenspiel“, kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, im Gespräch mit EurActiv.de die Ergennisse. Von den Mitteln würden kleine Betriebe wenig profitieren, stattdessen habe gerade die Zahlung von Geldern in der 1. Säule der GAP, also die Direktzahlungen an die Landwirte, die – bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen – je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden, den Strukturwandel nicht gebremst, was Arbeitsplätze vernichtet.

Das Geld müsste planvoller und gezielter für Bereiche ausgegeben werden, die Arbeitsplätze schaffen – also etwa für den Ökolandbau und Direktvermarkter, fordert Häusling. Spannend, meint er, sei jetzt, ob der Berichterstatter Eric Andrieu Ideen daraus für die nächste Agrarreform mitnimmt, wenn der Bericht im Juli zur Abstimmung kommt. „Noch geht es eher um Nothilfe und Überbrückungshilfen, die aber nicht ausreichen.“ Statt Förderung wahllos zu streuen, sollten künftig die Förderung guter Ideen und kreativer Köpfe im Vordergrund stehen.

Banken vergeben kaum Kapital an Landwirte

Zudem müsse auch die Frage behandelt werden, wie die Bauern Geld von Geldinstituten akquirieren können, fordert Häusling. „Das Problem zurzeit sind ja nicht die hohen Zinsen für Kapital, sondern dass die Banken kaum Mittel an Landwirte vergeben, weil die Sicherheiten fehlen.“ Bauern müssten unterstützt werden mit Kapital, wenn sie neue Wege gehen wollen, gerade in der Verarbeitung, etwa der Milchverarbeitung.

„Beschäftigung war nie Hauptfokus der EU-Agrarpolitik, aber heute ändert sich das, da es immer mehr Arbeitslose in allen EU-Staaten gibt“, resümierte auch Berichterstatter Eric Andieu vor dem Parlament. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte aus dem gleichen Grund bereits angekündigt, er wolle die Ausgaben für die Agrarpolitik anheben und den Arbeitsplätzen zugutekommen lassen. Andieu sagte klar und deutlich, was dabei im Vordergrund stehen sollte „Man muss dazu beitragen, dass es neue Generationen von Junglandwirten gibt.“

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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