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Süddeutsche Zeitung - Wirtschaft
„Die Ergebnisse liefern Grund zur Besorgnis“; Das Umweltbundesamt sieht ungeklärte Risiken beim umstrittenen Pestizid Glyphosat. Eine neue Langzeitstudie zeigt, dass sich der Wirkstoff häufig im Urin von Menschen nachweisen lässt. Welche Folgen das etwa bei Kindern hat, sei ungeklärt, kritisiert UBA-Präsidentin Krautzberger

München – Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor möglichen Risiken des weit verbreiteten Unkrautvernichters Glyphosat. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger sieht weiteren Forschungsbedarf. „Wir müssen die Datenlage zur Belastung beim Menschen verbessern. Insbesondere bei Kindern wissen wir aus den Studien bisher kaum etwas“, sagte Krautzberger der Süddeutschen Zeitung.

  Diese Einschätzung ist bemerkenswert, denn sie steht im Kontrast zu der einer anderen wichtigen Behörde, dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die hält den Wirkstoff bei sachgerechter Anwendung für unbedenklich. Glyphosat ist das meistverkaufte Pestizid der Welt und wird in Deutschland auf 40 Prozent der Felder eingesetzt, um Unkraut zu vernichten oder die Reife von Getreide zu beschleunigen.

  Diesen Donnerstag wird das Umweltbundesamt eine brisante Langzeitstudie vorlegen. Darin geht es um den Nachweis des Stoffs im Urin von Menschen, die in ihrem Alltag nicht direkt damit in Berührung kommen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Mittel bei bis zu 60 Prozent der getesteten Personen finden lässt.

  Es ist die erste große Untersuchung dieser Art einer staatlichen Behörde. Hintergrund ist, dass derzeit die Risiken des Stoffs neu eingeschätzt werden müssen. Im Sommer läuft die Zulassung in der EU aus und soll nun verlängert werden. An der Bewertung ist neben dem BfR auch das Umweltbundesamt beteiligt.

  Das UBA hat über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht, ob und wie sich der Wirkstoff bei Menschen nachweisen lässt. „Während 2001 lediglich bei zehn Prozent der Urin-Proben Glyphosat nachgewiesen werden konnte, waren es in den Jahren 2012 und 2013 knapp 60 Prozent“, sagt Krautzberger. In diesen Jahren seien auch die höchsten Konzentrationen gemessen worden. 2014 und 2015 sei der Anteil auf 40 Prozent zurückgegangen. „Dennoch lässt sich im Vergleich zu 2001 immer ein substantieller Anstieg der Belastung feststellen“, ergänzt die Präsidentin. Ob der Rückgang von Dauer ist, müssten weitere Analyse zeigen.

  Strittig ist, ob und welche Risiken durch eine solche Belastung entstehen können. Liegen die Werte unterhalb der Grenzwerte, sehen Überwachungsbehörden in der Regeln keine Risiken. Auch das Umweltbundesamt stellte in seiner nun vorliegenden Analyse keine überhöhten Werte fest. Im Gegenteil. Die höchste gemessene Konzentrationen des Unkrautvernichters lagen um etwa den Faktor 1000 niedriger als das, was die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) für vertretbar hält. Die derzeit bei 0,5 Milligramm pro Kilo Körpergewicht festgelegte Menge wurde erst im vergangenen November von 0,3 Milligramm angehoben.

  Trotzdem warnt die UBA-Präsidentin: „Die im Urin gemessenen Konzentrationen liegen zwar deutlich unter den akzeptablen Mengen. Die Ergebnisse liefern aber dennoch Grund zur Besorgnis. Denn die Zunahme der Belastung des Menschen fällt genau in den Zeitraum, in dem Glyphosat in immer größeren Mengen in der Landwirtschaft eingesetzt wurde.“ Insgesamt waren an der UBA-Studie 400 Männern und Frauen zwischen 20 und 29 Jahren von 2001 bis 2015 beteiligt. Untersucht wurden den Angaben zufolge 40 Urinproben pro Jahr. Auf welchem Weg die Probanden das Pestizid aufgenommen haben, ist laut Experten nicht eindeutig geklärt. Tatsache ist jedoch, dass Spuren des Pestizids in Tests immer wieder in Brot und anderen Lebensmitteln gemessen werden.

  In den vergangenen Monaten ist ein wissenschaftliche Streit zwischen den Experten des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung und den Krebsforschern der Weltgesundheitsorganisation entbrannt. Während die WHO-Experten Glyphosat im vergangenen Jahr als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ einstuften, urteilte die deutsche Behörde: „wahrscheinlich nicht krebserregend“. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Fehler bei der Risikoanalyse vor.

  Die EU-Lebensmittelbehörde Efsa hat bereits deutlich gemacht, dass sie sich vermutlich der BfR-Einschätzung anschließen wird. Martin Häusling, Europa-Abgeordneter der Grünen, kritisiert das. Er verweist auf das Vorsorgeprinzip in der EU. Bis zur Klärung der Risiken müssten alle Anwendungen ausgesetzt werden. Solche Forderungen hält der Deutsche Bauernverband für inakzeptabel. Glyphosat sei unverzichtbar für Landwirte, heißt es dort.

  Die Frage nach den Risiken ist entscheidend dafür, ob Glyphosat erneut zugelassen werden kann oder nicht. Würde die Efsa den Stoff wie die WHO-Forscher einstufen, wäre eine abermalige Genehmigung nach EU-Recht wohl kaum möglich. Setzt sich die weniger kritische Einschätzung von BfR und Efsa durch, wäre die Zulassung in der EU vermutlich nicht gefährdet.

  UBA-Präsidentin Krautzberger möchte im ersten Schritt vor allem die Datenlage verbessern: „Angesichts der Einschätzung der WHO sehen wir weiteren Forschungsbedarf“, sagt sie. Kritisch bewertet das Umweltbundesamt außerdem den Einsatz von Glyphosat mit anderen chemischen Stoffen, ohne die das Pestizid wirkungslos wäre. Die für den Verkauf zugelassenen Produkte müssten umfassender untersucht werden. Allein in Deutschland beträfe das mehr als 80 Präparate. Auch das BfR sieht hier einen Klärungsbedarf.

  Das UBA will mit einem „5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ ein Umdenken anstoßen. Ziel sei es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insgesamt zu minimieren. Über 100 000 Tonnen pro Jahr landen auf deutschen Äckern. Glyphosat ist nur ein Stoff unter vielen. „Der Pflanzenschutz mit Chemie ist einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt auf unseren Äckern,“ sagt Krautzberger. „Dass es anders geht zeigt der Ökolandbau, der weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichtet.“

Wissenschaftler streiten darüber, wie gefährlich der Stoff tatsächlich ist

Rückstände von Glyphosat wurden auch schon in Brot und Brötchen gefunden, Grenzwerte wurden dabei aber nicht überschritten. Es wird vermutet, dass das Pestizid über die Nahrung in den menschlichen Körper gelangt.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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