Grüne Europagruppe Grüne EFA

BR online - Heute hat die EU-Lebensmittelbehörde EFSA entschieden, dass das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend ist. Das sorgt für heftige Reaktionen, denn die Internationale Krebsforschungsagentur ist anderer Meinung.

Die EU-Behörde EFSA hält den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat für "wahrscheinlich nicht krebserregend". Das Mittel stelle vermutlich keine Bedrohung für den Menschen dar, teilte die Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma mit. Aber: Sie empfahl auch, die tägliche Aufnahme in den menschlichen Körper auf 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht zu begrenzen. Diese Einschätzung gebe man rein aus Vorsorgegründen, betont die EFSA. Ihre dient der EU-Kommission als Grundlage bei der anstehenden Entscheidung, Glyphosat erneut für zehn Jahre zuzulassen.

Auf 40 Prozent der bayerischen Ackerflächen versprüht
Glyphosat ist weltweit das Unkrautvernichtungsmittel Nummer eins - auch in in Deutschland. Auch die Landwirte in Bayern verwenden dieses Herbizid; auf rund 40 Prozent der Ackerflächen wird es versprüht. Unter der Bezeichnung "Roundup" kann es jeder Hobbygärtner im Baumarkt kaufen.

Schon länger steht es jedoch in Verdacht, Krebs zu erzeugen; durch das Versprühen auf Äckern kommt es in die landwirtschaftlichen Erzeugnisse und dann zu uns Menschen, sogar in der Muttermilch finden sich Spuren des Pflanzengiftes. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) hat es erst Ende März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.

Zulassung läuft Ende des Jahres ab
Pflanzenschutzmittel sind in der EU in der Regel zunächst nur für zehn Jahre zugelassen, danach muss das Mittel wieder auf den Prüfstand, um eine Zulassungsverlängerung zu bekommen. So ist es auch beim Glyphosat, dessen Zulassung Ende 2015 ausläuft. Am Prüfverfahren sind mehrere Behörden beteiligt: Die EU-Kommission, die EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde mit Sitz im italienischem Parma) und ein EU-Mitgliedsstaat als Berichterstatter des Verfahrens, in diesem Fall Deutschland, genauer das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR), das zum Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung gehört.  

    "Auf der Basis von fünf Kanzerogenitätsstudien an Mäusen und sieben Studien zur chronischen Toxizität sowie von Kanzerogenitätsstudien an Ratten kommt das BfR... zum Schluss, dass kein Krebsrisiko hinsichtlich der beabsichtigten Nutzung als Herbizid besteht. Folglich erscheint auch keine Einstufung als krebserzeugend..."

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
"Ein Trauerspiel in mehreren Akten"
Diese Einstufung des Institutes für Risikobewertung, das zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gehört, widerspricht massiv der der IARC, die eine Behörde der WHO-Weltgesundheitsorganisation ist.
Der Europaabgeordnete Martin Häusling von den Grünen hat die Studien der beiden Behörden genauer unter die Lupe genommen. Seine Bilanz fällt düster aus:      "Die EU-Wirkstoffüberprüfung von Glyphosat gleicht einem Trauerspiel in mehreren Akten."

Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner, ebenfalls von den Grünen, findet es "vollkommen unbegreiflich, warum die EFSA in der aktuellen Situation auch noch vorschlägt, die zulässige tägliche Glyphosat-Aufnahmemenge um zwei Drittel zu erhöhen. Auch diese Idee stammt von den deutschen Risikobewertern. Aber wenigstens dieses vollkommen falsche Signal hätte die EFSA jetzt nicht auch noch setzen müssen. Ich habe den Eindruck, hier sollen mal wieder 'vorsorglich' Grenzwerte angepasst werden, bevor sie womöglich erreicht oder überschritten werden."

José Tarazona, Leiter des EFSA-Referats Pestizide, erklärt die heutige Entscheidung:

    "Es handelte sich hierbei um einen umfassenden Prozess – eine vollständige Bewertung, die eine Fülle neuer Studien und Daten berücksichtigte. Durch die Einführung einer Akuten Referenzdosis verschärfen wir die künftige Bewertung potenzieller Risiken durch Glyphosat. Was die Karzinogenität betrifft, so ist es unwahrscheinlich, dass dieser Stoff krebserregend ist."

José Tarazona, EFSA
"Vorsätzliches Fälschen"

Diese Entscheidung der EFSA stößt auf heftige Kritik und Skepsis in Politik und Wissenschaft, da sie sich stark von der Einschätzung der IARC unterscheidet.

    "Wenn das BfR und die EFSA weitere Studien von der Industrie in ihrem Bericht haben und die Industrie zu dem Schluss kommt, dass ihre Produkte nicht kanzerogen sind, dann entkräftet das in keinster Weise die Krebswarnung der Experten von der IARC."

Harald Ebner, Die Grünen
Gebäude des Bundesinstituts für Risikiobewertung | Bild: picture-alliance/dpa

In der Kritik: das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR

Tatsächlich steht das BfR wegen seiner Einschätzung zu Glyphosat in der Kritik; es kam Ende September deshalb sogar zu einer Anhörung im Bundestagsauschuss: Der Epidomologe Dr. Greiser der Universität Bremen bezeichnete während dieser Sitzung die Studien des BfR „als vorsätzliches Fälschen von Studieninhalten“. Und die Gesundheitswissenschaftlerin Karen Friedrich von der staatlichen Universität von Rio de Janeiro erklärte, dass das BfR auch Industrie-finanzierte Studien berücksichtigt hat, anders als die IARC. Daher wohl das unterschiedliche Ergebnis, so die Wissenschaftlerin.
 "Auf geheime Papiere gestützt"

Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner hat sich die widersprechenden Studien genau angesehen und kommt ebenfalls zu dem Schluss:

    "Das IARC hat nur Studien verwendet, die öffentlich wissenschaftlich nachprüfbar sind. Das BfR dagegen hat sich auf geheime Papiere der Industrie gestützt."

Harald Ebner, Die Grünen

Der heute veröffentlichte Bericht der EFSA dient als Grundlage für die Entscheidung der EU-Kommission. Diese muss in den kommenden Monaten zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten über die Neuzulassung von Glyphosat entscheiden. Übrigens: Viele Baumärkte haben nach der IARC-Entscheidung Glyphosat aus ihren Regalen genommen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen