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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Einigung auf Übergangsfrist für neue Testverfahren / Abgasskandal reißt Loch in VW-Bilanz

cag./hmk. HAMBURG/BRÜSSEL, 28. Oktober. Die europäische Autoindustrie wird von der Politik nicht in Haftung für den VW-Skandal genommen. Vertreter der Mitgliedstaaten einigten sich zwar am Mittwoch nach stundenlangen Verhandlungen in Brüssel auf neue Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden. Sie blieben dabei aber deutlich hinter den Vorschlägen der Europäischen Kommission zurück. So sollten nach der endgültigen Einführung der neuen realitätsnahen RDE-Tests im Herbst 2017 Abweichungen bis zu 88 Milligramm von dem gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert für Dieselfahrzeuge von 80 Milligramm je Kilometer erlaubt sein, hieß es in Brüssel. Von 2019 an werde die Abweichung dann auf 40 Milligramm begrenzt. Die EU-Kommission hatte nur eine zweijährige Übergangsfrist vorgesehen und wollte in diesem Zeitraum eine Abweichung von bis zu 48 Gramm akzeptieren.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen drängten am Mittwoch vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf weniger strikte Vorgaben für die Autobranche. Starke Kritik an dem Beschluss übten die Grünen. "Diese Entscheidung zeigt, dass die Interessen der Automobilindustrie offenbar nach wie vor mehr wiegen als der Schutz von Umwelt und Gesundheit", sagte der EU-Abgeordnete Martin Häusling. Das sei nach den Erfahrungen mit Volkswagen ein Skandal. Die Grünen würden nun prüfen, ob sie rechtliche Schritte gegen den Beschluss einleiten könnten.

Die Einführung der neuen RDE-Tests, bei denen der Ausstoß nicht im Labor, sondern auf der Straße gemessen wird, hatte die EU schon vor dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen durch VW beschlossen. Sie reagierte damit darauf, dass die im Labor gemessenen Werte immer stärker von den realen Abgaswerten abweichen. Nach Angaben der Kommission lag der Stickoxidausstoß zuletzt um bis zu 400 Prozent über dem erlaubten Grenzwert, also bei bis zu 400 Milligramm je Kilometer. Mit Betrug wie beim VW-Skandal hat das aber nichts zu tun. Vielmehr nutzen die Hersteller den Spielraum, den ihnen die Labortests bieten, stark aus. Die Neuerung bezieht sich nur auf den Stickoxidausstoß. Für den CO2-Ausstoß gibt es zwar auch neue Vorgaben für die Tests, aber keine realitätsnahen RDE-Tests.

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte in Dieselfahrzeugen riss unterdessen im dritten Quartal ein großes Loch in die Bilanz von Volkswagen. Es bleibt ungewiss, wie weit Strafzahlungen und Entschädigungsansprüche von Kunden die Bilanz auch in Zukunft belasten werden. Im dritten Quartal schloss VW vor Zinsen und Steuern mit rund 3,5 Milliarden Euro im Minus und unter dem Strich mit 1,7 Milliarden Euro Minus ab, teilte der Konzern am Mittwoch in Wolfsburg mit. Zentraler Grund für den ersten Quartalsverlust nach 20 Jahren: Die 6,7 Milliarden Euro Rückstellungen von VW, mit denen die Kosten für die geplanten Rückrufe und Nachbesserungen bei den rund 11 Millionen betroffenen Dieselautos finanziert werden sollen.

Der neue Finanzvorstand Frank Witter zeigte sich zuversichtlich, dass die Kosten für den Rückruf mit den Rückstellungen weitgehend abgedeckt werden können. "Das ist unsere beste Schätzung bis jetzt", sagte er. Tatsächlich hat VW die Zahl gegenüber den ursprünglich erwarteten 6,5 Milliarden Euro nur leicht um 200 Millionen Euro erhöhen müssen. "Diese Summe wird wachsen", gab Witter im Gespräch mit Analysten und Journalisten zu. Wie stark das Unternehmen belastet werde, könne man aber erst sagen, "wenn wir mehr Klarheit über Strafzahlungen bekommen". So gibt es in einigen Ländern strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen VW wegen der Manipulationen.

Ob und in welcher Höhe daraus am Ende Geldbußen für VW resultieren, könne derzeit nicht abgeschätzt werden, hieß es. Ähnlich sieht es mit zivilrechtlichen Klagen von Kunden aus. "Die Erfolgsaussichten etwaiger Klagen können deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht eingeschätzt werden", teilte das Unternehmen mit. Es gibt Schätzungen, die am Ende einen Schaden von mehr als 30 Milliarden Euro für VW befürchten. Witter zeigte sich zuversichtlich. "Die finanziellen Lasten für die Dieselthematik sind enorm, aber sie sind handhabbar", sagte er. "Dieselthematik" ist das neue Wort, mit dem VW den Skandal um die millionenfach manipulierten Abgaswerte jetzt umschreibt. Das Wort findet sich in der 59 Seiten dicken Quartalsbilanz 22-mal.

Die Milliardenkosten für die Folgen des Skandals verdecken, dass sich VW eigentlich in den ersten neun Monaten des Jahres und auch im dritten Quartal wacker geschlagen hat. Trotz der Krisen in Brasilien und Russland und der schwächer werdenden Nachfrage in China lagen die Umsatzerlöse für die ersten neun Monate mit 160,3 Milliarden Euro deutlich über den rund 148 Milliarden Euro des Vorjahreszeitraums. Das operative Ergebnis der ersten neun Monate lag bei 3,3 Milliarden Euro (Vorjahr: 9,4), dabei sind die Sondereinflüsse durch den Skandal allerdings eingerechnet. "Die Zahlen zeigen einerseits die starke Substanz des Volkswagen-Konzerns, andererseits treten erste Auswirkungen der derzeitigen Situation klar zutage", sagte Vorstandschef Matthias Müller und bekräftigte das Versprechen, das VW seit Beginn des Skandals immer wieder gegeben hat: "Wir werden alles daransetzen, verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen." VW erwartet, in diesem Jahr ungefähr so viele Autos auszuliefern wie im vergangenen Jahr. 2014 waren es 10,1 Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz soll um bis zu vier Prozent von 202,5 Milliarden Euro im Vorjahr steigen. Beim operativen Gewinn erwartet der Konzern allerdings wegen der Folgen des Abgasskandals ein Ergebnis, "das deutlich unter dem des Vorjahrs liegen wird". Damals waren es 12,7 Milliarden Euro. Von Analysten wurde aufmerksam vermerkt, dass das Sorgenkind des Konzerns, die Kernmarke VW, seine Gewinnkraft wegen der Bemühungen um mehr Kostendisziplin gestärkt hat. Waren vor Zinsen und Steuern im Herbst 2014 nur 2,30 Euro je umgesetzten 100 Euro geblieben, waren es dieses Jahr 2,80 Euro. Spitzenreiter im Konzern blieb bei einer Umsatzrendite von 15,5 Prozent Porsche, gefolgt von Scania mit 9,7 und Audi mit 9,2 Prozent.

Die neuen Grenzwerte sind nicht so strikt wie von der Industrie befürchtet.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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