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Deutsche Welle - Landwirtschaft
Tausende Milchbauern in Deutschland protestieren gegen gesunkene Milchpreise. Aber die EU-Kommission will nicht zurück zum alten System der Marktregulierung.

"Die Milchquote ist verschwunden, und sie wird für immer verschwunden bleiben", stellte EU-Agrarkommissar Phil Hogan Ende August klar, als neue Proteste von Milchbauern angekündigt wurden. Gerade in diesem Frühjahr war die Quote abgeschafft worden, und jetzt sagt der aus Irland stammende Kommissar, er zögere, gleich wieder neue Interventionsmechanismen einzurichten. Lieber sollten die Erzeuger auf dem globalen Milchmarkt nach Export- und Expansionsmöglichkeiten suchen.

Über 30 Jahre lang hatte die EU mit der Milchquote festgelegt, welches Mitgliedsland wie viel produzieren durfte. Gerade deutsche Milchbauern rannten dagegen an und wollten Freiheit, um ihre Chancen auf dem Weltmarkt zu nutzen. Soll es jetzt eine agrarpolitische Rolle rückwärts geben? Die Vertreter der Milchbauern sprechen von einer Krise, aber Hogan fragt zurück."Was ist eine Krise? Wenn der Preis unter 30 Cent pro Liter rutscht?" So pauschal könne man das Problem nicht sehen, denn die Produktionskosten seien etwa in Osteuropa viel niedriger als in westeuropäischen Ländern, man könne also nicht ein Niveau für alle festlegen.

In der kommenden Woche treffen sich in Brüssel die Landwirtschaftsminister, und viele fordern, den klagenden Milchbauern wieder mit europäischem Geld unter die Arme zu greifen. Erwartet werden zumindest Ausgleichszahlungen aus EU-Mitteln, gespeist von der sogenannten Überschussabgabe. Abgesehen davon, betont der Kommissar, habe Brüssel bereits 350 Millionen Euro bereitgestellt, um Verluste durch die Russland-Sanktionen auszugleichen. Auch darüber klagen nämlich viele Milchhersteller: Sie seien schwer von den Importverboten gegen europäische Agrarprodukte betroffen, die Präsident Putin als Antwort auf die EU-Sanktionen verhängt hat. Unlängst ließ er einen kleinen Berg von französischem Käse unterbaggern: "Die Probleme mit Putin werden so bald nicht enden", sagt Phil Hogan dazu lapidar.

Es gibt einen Schweinezyklus auf dem Milchmarkt

Warum aber sind innerhalb kurzer Zeit die Milchpreise von rund 40 Cent pro Liter – eine Marge, die für die Bauern profitabel war – auf weit unter 30 Cent gesunken? Tatsächlich fluktuiert der Milchpreis schon seit Jahren. Auch auf diesem Markt gibt es, was Konjunkturforscher den "Schweinezyklus" nennen: 2009 wurden in Deutschland z.B. 22 Cent pro Liter gezahlt, also noch weniger, als die Bauern derzeit bekommen. 2011 stieg der Preis auf 35 Cent, dann ging es wieder bergab, und danach bis 2015 steil bergauf. Die Hersteller sind also durchaus an Schwankungen gewöhnt.

Verantwortlich sei diesmal sowohl der Weltmarkt als auch eine gewisse Überproduktion, sagt die EU-Kommission: Die Krise in China habe zu einem deutlichen Rückgang der Milchexporte dorthin geführt. "Auf dem globalen Markt gibt es 2 Prozent Überschuss bei Milchprodukten", schätzt Kommissar Hogan. Und er fordert die Bauern und die Molkereien auf, statt nach der EU zu rufen, lieber nach neuen Absatzmärkten Ausschau zu halten. Der Milchabsatz in Asien und Südamerika werde weiter wachsen, trotz der gegenwärtigen Probleme mit China.

Die ganze Strategie ist falsch

Martin Häusling ist selbst Bauer und kennt das Geschäft. Der Europaabgeordnete der Grünen hält die neue Milchmarkt-Strategie der EU-Kommission für falsch. "Die absolute Liberalisierung funktioniert auch nicht", das müsse man in Brüssel einsehen. Wenn es so weitergehe, würden immer mehr kleine Betriebe verschwinden. Am Ende werde es wieder Marktinterventionen geben, man erinnert sich an die berühmt-berüchtigten Butterberge und Milchseen der europäischen Vergangenheit.

Häusling glaubt, es sei falsch gewesen, die Milchproduktion am Weltmarkt auszurichten. "Es gibt einen Markt für fair produzierte Milch in Europa", und darauf sollten sich die Bauern in der EU konzentrieren. Hier sei nicht nur der neue Agrarkommissar in Brüssel in die falsche Richtung marschiert, weil er und seine Vorgänger die Milchbauern zu globalen Exporteuren hätten machen wollen. Was aber China angeht – da hätten sich viele Experten einfach geirrt. Inzwischen setze Peking auf eigene Milchproduktion und sei dabei, Stallanlagen für 100.000 Kühe zu bauen. Und zu Russland sagt der Europaabgeordnete nur: "Auf einen Freund wie Putin konnte man sich noch nie verlassen."

Unser Markt ist in Europa

Die Preise werden durch den Weltmarkt kaputtgemacht, erklärt Martin Häusling. Wir sollten uns lieber auf den Absatz in Europa konzentrieren, hier gebe es einen Markt für fair produzierte Milch, und die Verbraucher hätten Interesse an der bäuerlichen Erzeugung und der Herkunft. Dabei könnten dann auch kostendeckende Preise erzielt werden. Der Europaabgeordnete fordert eine Art "runden Tisch der Milchhersteller", wo sich die großen Molkereien mit den Vertretern der Erzeuger zusammensetzen müssten, um je nach Bedarf eine Produktionsobergrenze für Milch festzulegen. Wenn es dann zu Preiseinbrüchen komme wie derzeit, plädiert auch er für Ausgleichszahlungen, aber die sollten auf jeden Fall nur vorübergehend gezahlt werden.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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