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400 Milliarden EU-Subventionen nur noch für Ökolandbau
Frankfurter Allgemeine Zeitung - hmk./jagr. BRÜSSEL/FRANKFURT, 16. Juli.
Die Grünen wollen das System der EU-Agrarsubventionen radikal umbauen. Sämtliche Zuweisungen an Landwirte sollten künftig für ökologische oder Tierschutzmaßnahmen ausgezahlt werden, schreiben die beiden führenden Agrarpolitiker der Partei, Martin Häusling und Robert Habeck, in einem Papier, das dieser Zeitung vorliegt. Es handelt sich dabei um einen Großteil des EU-Budgets - um rund 400 Milliarden Euro, die in einer siebenjährigen Förderperiode 2014 bis 2020 an die Bauern ausgeschüttet werden, davon rund 44 Milliarden Euro in Deutschland. Das sind rund 40 Prozent des Budgets der Europäischen Union.
Nach Vorstellungen der Grünen soll die Zahlung an die Einhaltung von 23 Kriterien gekoppelt werden - von Fruchtfolgen über Moorschutz, Artenvielfalt, Klimaschutz, Verzicht auf Pestizide und den Gewässerschutz. Die in der letzten Agrarreform von 2014 beschlossenen "Greening"-Schritte - wie die Auszahlung eines Teils der Subventionen nur gegen Schaffung von Ackerrandstreifen auf 5 Prozent der Fläche - seien nicht ausreichend und zu bürokratisch. Der Vorschlag, sämtliche Subventionen an Öko-Kriterien zu koppeln, würde zu weniger Bürokratie führen, behauptet Habeck, der die Grünen als Spitzenkandidat in die nächste Bundestagswahl führen möchte.
Seit der vorletzten Agrarreform von 1999 gibt es die Prämien pauschal dafür, dass Bauern Land bewirtschaften. Welche Frucht sie säen und ernten, können sie nach Marktlage entscheiden. Die Direktzahlungen ("Erste Säule") liegen momentan je nach Staat und Betriebsgröße zwischen weniger als 100 und 500 Euro je Hektar, werden aber in den kommenden Jahren leicht angeglichen. Für die Unterstützung des ländlichen Raums und ökologische Mehrleistungen steht bisher die "Zweite Säule" zur Verfügung, die mit rund einem Viertel des Geldes ausgestattet ist. Der Vorschlag der Grünen zielt darauf ab, das Mehr-Säulen-Modell abzuschaffen. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte Robert Habeck, stellvertretender Ministerpräsident und Agrarminister in Schleswig-Holstein, das solle schrittweise erfolgen und nach 2028 vollendet werden.
Der Deutsche Bauernverband reagierte mit Ablehnung. Der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling sagte dieser Zeitung, die vorgeschlagene Reform würde "zu einem Ausbluten der bäuerlichen Landwirtschaft und auch der ländlichen Räume in Europa führen". EU-Direktzahlungen böten einen pauschalen Ausgleich für höhere Umweltstandards und Kosten europäischer Landwirtschaft im Weltvergleich. Schon heute könnten finanzschwache Regionen nicht ausreichend Geld zur Kofinanzierung der "Zweiten Säule" bereitstellen - etwa Habecks Bundesland Schleswig-Holstein oder Länder in Südeuropa.
Die Erfolgsaussichten des Vorstoßes sind gering. Das Europaparlament hat kein eigenes Initiativrecht. Zudem dürften die Grünen für den Vorschlag auch innerhalb des Parlaments keine Mehrheit finden. Auch die Mitgliedstaaten haben sich bisher stets gegen vergleichbare Vorstöße ausgesprochen. In der Kommission gibt es aber Stimmen, die sich für eine Abschaffung der direkten Hilfen für die Landwirte aussprechen.
Ein Argument der Grünen ist bekannt: Gesellschaftliche Akzeptanz für Agrarsubventionen werde es nur noch geben, wenn Bauern etwas für die Umwelt täten. Das Papier bringt ein neues Argument: Die Subventionen blieben de facto nicht auf dem Konto der Landwirte. Studien hätten gezeigt, dass sie den Bodenbesitzern zugutekämen, da sie Pacht- und Bodenkaufpreise erhöhten. "Das ist ökonomische Basismeinung", behauptet Habeck - jedenfalls in seinem Ministerium und an der Uni Kiel. Weil der Boden aber oft nicht mehr den Bauern, sondern deren Erben gehöre, fließe das Geld in nichtbäuerliche Kanäle. "Im aktuellen Wirtschaftssystem wandern die Subventionen letztlich nur zu den Landbesitzern", heißt es im Papier.
Geld verdienten ohnehin kaum die Bauern, sondern die Saat- oder Düngemittelkonzerne. Die statistischen Zahlen sehen differenzierter aus: Das Einkommen der Bauern ist in den vergangenen 15 Jahren tendenziell angestiegen. Die Bodenpreise stiegen laut Statistischem Bundesamt erst ab etwa 2009 stark an. Das liegt an gestiegenen Agrarrohstoffpreisen, die die Bodenrenten erhöhen, wie auch der staatlichen Förderungen der Bioenergie (EEG-Umlagen).
Die Folgen der vorgeschlagenen Reform wären schwer vorherzusagen. Fast die Hälfte der bäuerlichen Einkommen kommen aus EU-Töpfen. Laut Studien würde die Reform nicht zu höheren Verbraucherpreisen führen, behaupten die Grünenpolitiker. Aber es erscheint schwer vorstellbar, dass die Nahrungsproduktion nicht stark zurückginge, wenn das Geld nur noch nach Umweltkriterien gezahlt würde. Habeck bestreitet das: Die Folgen seien dynamisch und nicht vorhersehbar. Der Vorschlag sei nicht wirtschaftsfeindlich. Intensive Landwirtschaft sei vom Verbraucher auch nicht mehr gewünscht."
Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Dokument FAZALG0020150717eb7h0003k

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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