Grüne Europagruppe Grüne EFA

Volles Haus im Dietrich-Bonhoeffer-Zentrum: Die vom Evangelischen Forum Schwalm-Eder und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kürzlich in Melsungen organisierte Podiumsveranstaltung zum Thema Arten-Schwund bot rund 85 Besuchern regen Diskussionsstoff: Die industrielle Landwirtschaft sorge dafür, dass immer weniger Insekten, Vögel und Pflanzen Platz und Nahrung zum Leben haben, so das Fazit der Studie „Wir sind dann mal weg – Die (un-)heimliche Arten-Erosion“, die der Autor und ehemalige Redakteur der Frankfurter Rundschau, Stephan Börnecke, vorstellte. 2018 02 09 mh evforum01

„Saubere Äcker vernichten wildes Leben“, bilanzierte Börnecke aus der von Grünen-Politiker Martin Häusling (Biobauer und Mitglied des Europäischen Parlaments) beauftragten Studie. „Heute müssen sie schon lange laufen, um eine Lerche zu hören.“ Sowohl der Naturschutz als auch die Agrarpolitik der EU verfehlten ihre Ziele. „Die Pflanzenvielfalt nimmt nicht nur ab, sondern es bleiben überall auch nur dieselben Arten übrig“, so der Journalist. Tier und Pflanzen hätten immer weniger Nahrung und Lebensraum. Börnecke: „Vor 50 Jahren waren die Äcker noch zu 40 Prozent von Wildkräutern bedeckt, heute sind es nur noch vier Prozent.“

Einen „Sauberkeitswahn in der Landwirtschaft“, benannte Häusling als Problem. „Es könne in zehn Jahren für viele Tierarten zu spät sein. Jeder Landwirt könne für sich etwas tun, und die Politik müsse Anreize schaffen, extensive Landwirtschaft zu betreiben. Häusling: „Mit jedem Bauern, der wegfällt, stirbt auch ein Stück Artenvielfalt.“ In der Stadt Melsungen habe es vor 35 Jahren noch 13 landwirtschaftliche Betriebe gegeben, heute sei er einer von drei, gab Landwirt Bernd Brüne während der von Pfarrer Dierk Glitzenhirn moderierten Diskussion zu bedenken.

„Wir sollten die Bauern nicht zu Prügelknaben machen“, sagte der stellvertretende Landrat und Naturschutzdezernent des Schwalm-Eder-Kreises, Jürgen Kaufmann. Vielmehr solle die Landwirtschaft als ein wichtiger Partner bei der Lösung des Problems betrachtet werden. Der Kreis sei gegen den Einsatz von Glyphosat als so genanntes Pflanzenschutzmittel. Es müsse gemeinsam versucht werden, Biodiversität zu erhalten und da könne jeder Bürgermeister auch bei den gemeindeeigenen Wegen beginnen, so Kaufmann.

„Wir sind schon sehr effizient geworden“, bilanzierte Norbert Klapp, Vorsitzender des Regionalbauernverbands Kurhessen. Er hoffe, dass der Handel regelnd eingreife - die heimischen Landwirte könnten nicht gegen den Weltmarkt produzieren, „und über mündige Verbraucher werden wir das nicht erreichen“, so der Kreislandwirt. Jeder Einzelne könne auch im eigenen Garten einen Beitrag leisten, fügte Helmut Koch, Nebenerwerbslandwirt aus Homberg (Efze), hinzu.

In den vergangenen zwei Jahren sei ein Bewusstseinswandel bei den Landwirten zu beobachten, so Referent Börnecke abschließend, weg von der Chemie und hin zur „guten fachlichen Praxis“. Börnecke: „Wenn man sich an diesen Leitlinien wieder stärker orientiert, habe ich Hoffnung.“